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Miklós Hegybíró: „Dynamisch oder flexibel bleiben wir nur, wenn wir unser Zusammenarbeitsmodell nicht für sakrosankt erklären“

– Unternehmen und Kultur

Führung: „So viel Freiheit wie möglich, soviel Unterstützung wie nötig“

– ABSTRACT

Change-Prozesse hängen vom Team ab

Verantwortung und Führungskompetenz haben viel mit persönlicher Entwicklung und Werten zu tun. Und der Erfolg eines tiefgreifenden Change-Prozesses hängt von der aktiven Unterstützung der Geschäftsführung und des gesamten (Leitungs-) Teams ab. Was gutes Leadership ausmacht und wie Miklós Hegybíró, Geschäftsführer des IKOR-Unternehmens IKOR Products, sein auf mehrere Standorte verteiltes 30-köpfiges Team führt, verrät er im Interview.

IKOR hat sich 2019 eine Matrixstruktur gegeben, bei der sich eine nach Fachabteilungen sowie eine nach Objekten oder Projekten gegliederte Organisation überlagern. IKOR Products – ein IKOR-Unternehmen und gleichzeitig eine „Fachabteilung“ – entwickelt, implementiert, vertreibt und wartet Software, sogenannte SAP-Add-ons. Du führst diesen Bereich. Wie arbeitest du mit deinem 30-köpfigen Team, das teilweise in Hamburg, teilweise in Essen sitzt, standortübergreifend zusammen?

Miklós Hegybíró: Unsere 2019-er-Remote-Work-Regelung – die altgediente Formel: drei Tage die Woche im Büro oder im Kundenprojekt vor Ort sowie zwei Tage remote – ist einer „Entscheide-eigenverantwortlich-jede-Woche-neu-Regel“ in Abstimmung mit der Führungskraft gewichen. Die Praxis scheint auf ein Verhältnis „drei Tage remote, zwei Tage vor Ort“ hinauszulaufen, aber mit sehr unterschiedlichen Ausprägungen im Einzelfall.

Allerdings hat gute Führung per se wenig mit Remote Work zu tun …

Hegybíró: Die wichtigen Fragen lauten vielmehr: Ist eine Führungskraft interessiert am Erfolg und der persönlichen Weiterentwicklung des Teams und der einzelnen Kolleg:innen? Verknüpfen wir nachhaltig die Ziele des Unternehmens, des Teams und der Einzelpersonen so, dass die Entwicklungsrichtungen parallel laufen und sich Anreize positiv verstärken? Leben wir Werte wie Vertrauen, Ergebnisorientierung und Teilhabe am Erfolg wirklich vor? Und stärken wir Eigenverantwortung oder hängen wir nur Plakate mit Parolen auf?

Welche Antworten formulierst du?

Hegybíró: Wir benötigen konkrete Techniken, Verfahren und Prozesse aus dem agilen Repertoire. Aber auch die Haltung einer Führungskraft ist ausschlaggebend. Nicht umsonst weisen alle großen Umfragen (Anm. d. Red.: der aktuelle Gallup Report und eine Personio-Studie „Der große Wertewandel“) – seit Jahren darauf hin, dass 33 bis 50 Prozent aller Kündigungen unmittelbar mit der eigenen, direkten Führungskraft zusammenhängen. Demnach glauben 90 Prozent der Chefs, die Mitarbeitenden hätten wegen der Entlohnung gekündigt. Das scheint allerdings nur auf zehn bis fünfzehn Prozent der Kündigungsfälle zuzutreffen.

Über Miklós Hegybíró

Nach seinem BWL- und VWL-Studium in Bochum arbeitete Miklós Hegybíró in einem Start-up und begann 2010 als Juniorberater im Produktumfeld in der damaligen IKOR-Dependance in Oberhausen. Er wurde schnell zum Teamleiter und stellvertretenden Bereichsleiter berufen. Seit 2021 führt Hegybíró, der als Spross einer ungarisch-stämmigen Unternehmerfamilie neben Deutsch auch Ungarisch auf muttersprachlichem Niveau beherrscht, von Hamburg aus die Geschäfte von IKOR Products.


„Für die einen bin ich fast ‚Hardliner‘, der seine Handlungen nach einem starren Wertekompass ausrichtet. Für die anderen bin ich ‚Softie‘, gelte als empathisch, konfliktscheu und auch als wohlwollend, sollten Fehler passieren. In Wahrheit stimmt beides.“

Wie lebst du Führung?

Hegybíró: Ich will das Produktgeschäft bei IKOR mit jedem Jahr erfolgreicher machen. Das wissen auch meine Kolleginnen und Kollegen; wir haben klare Ziele. Unsere Produkte sind gekommen, um zu bleiben. Daran glaube ich. Ohne ein solches Credo kann niemand gut führen. Ohne wird eine Führungskraft schnell zum Spielball der Umstände.  

Was sagt das über deine und die Werte von IKOR aus?

Hegybíró: Meine eigenen Werte befinden sich mit den Unternehmenswerten im Einklang: Als IKOR Products wollen wir die Marke IKOR durch Produkte und deren Qualität aufladen und noch stärker am Markt verankern. Tatsächlich bewerten wir Qualität grundsätzlich höher als den kurzfristigen Erfolg: Schnell zu liefern ist langfristig nicht immer besser. Strategische Ausrichtungen müssen wir manchmal gegen Widerstände verteidigen oder nachjustieren. Auch dieser Balance-Akt gehört zum Spannungsfeld von Entscheidern.

Wie eng hängen deine Werte und dein Führungsstil zusammen?

Hegybíró: Sehr eng. Diese Erkenntnis musste ich allerdings erst entwickeln. Was mich dabei umtreibt: Wie gehen Menschen mit Verantwortung und Führung um? Nicht nur die Geschäftsführung, sondern auch disziplinarische Führungskräfte oder Produktmanager:innen? Welches Warum formulieren die Mitarbeitenden? Welche Werte leben wir gemeinsam? Sind wir uns unserer Werte bewusst? Warum tun wir, was wir tun? Warum entwickeln wir Produkte? Warum finden wir diese gut? Und: Was motiviert mich, meiner Verantwortung jeden Tag aufs Neue gerecht zu werden?

Wieso ist dir das große Warum, „the reason why“, so wichtig?

Hegybíró: Weil Menschen in erster Linie sinnsuchende Wesen sind und diesen Sinn mit ihrer beruflichen Tätigkeit und persönlichen Weiterentwicklung im Job verknüpfen. Erst die Antwort auf das „Why“ zeigt uns, warum wir bei IKOR Products als Team zusammenarbeiten und nicht irgendwo anders. Wir verzeichnen eine relativ niedrige Fluktuationsrate, müssen also auf den Führungsebenen bislang einiges richtig gemacht haben. Das ist zwar eine schöne Momentaufnahme eines wichtigen Indikators, jedoch kein Grund, uns auf unserem Erfolg auszuruhen: Gute Führung benötigt jedenfalls Reflexion und Feedbacks. Man muss sich Zeit für andere nehmen, lernbereit sein und immer wieder die Frage nach dem „Why?“ und auch nach dem „Why not?“ beantworten.

Welche Rollen spielen Prozesse, Organisation, Sachlichkeit und wie „irrt“ ihr euch als Team nach vorn?

Hegybíró: Prozessoptimierung und jede Neuorganisation stehen immer nur für eine Iteration. Gibt es einen vernünftigen Grund, etwas zu verbessern? Wenn ja, sollte ich die etablierten Grundsätze in Frage stellen. Dynamisch oder flexibel bleiben wir nur, wenn wir unser Zusammenarbeitsmodell nicht für sakrosankt erklären. Dies ist für mich viel wichtiger als, dass wir uns einfach nur „Agilität“ auf die Fahne schreiben.

Was für ein Chef bist du? Was sagen deine Mitarbeitenden?

Hegybíró (schmunzelt): Führungskräfte sind auch nur Menschen. Wir sind oft gleichzeitig in unterschiedlichen Rollen unterwegs. Es gibt unterschiedliche Sichtweisen, ob ich ein guter Chef, Manager oder eine gute Führungskraft bin. Aus Feedback- und Hintergrundgesprächen weiß ich, dass ich für die einen fast schon ein „Hardliner“ bin, der seine Handlungen nach einem starren Wertekompass ausrichtet. Für die anderen bin ich ein „Softie“, gelte als empathisch, konfliktscheu und auch als wohlwollend, sollten Fehler passieren. In Wahrheit stimmt beides.

Wie gehst du mit solchen Feedbacks um?

Hegybíró: Man muss unterschiedliche Sichtweisen und auch Kritik aushalten und darf nicht alles persönlich nehmen. Es braucht ein gutes Selbstbewusstsein und man muss die eigenen Stärken und Schwächen kennen. Oft kommt Kritik, unabhängig von ihrer Härte, aus einem bestimmten Blickwinkel oder basiert auf Partikularinteressen. So berechtigt Kritik jedoch auch sein mag: Führungskräfte müssen immer verschiedene, übergreifende und oft auch gegenläufige Interessen berücksichtigen. Unterlegt man dies mit transparenter, wertschätzender Kommunikation, ist man auch in stürmischen Zeiten gut aufgestellt.

Wofür schätzt du dein Team besonders?

Hegybíró: Für seinen Mut, seine Menschlichkeit und seine fachlich-technische Kompetenz.

Wie unterstützt du dein Team dabei, seine Ziele zu erreichen?

Hegybíró: Frag die verschiedenen Teams und Führungskräfte; ich bin dennoch guter Hoffnung, dass ich situativ den richtigen Führungsstil bzw. die passende Methode wähle. Zwischen unternehmerischem Führungsstil und Mikromanagement liegen Welten, und beide Extreme kommen entsprechend selten vor. Als Führungskraft von Führungskräften bleibt mir nichts als meine Überzeugung vorzuleben: So viel Freiheit wie möglich, soviel persönliche Unterstützung wie nötig. Ansonsten hoffe ich, dass Ziele und Aufgaben nicht nur „S.M.A.R.T.“ (Anm. d. Red.: specific, measurable, achievable, realistic, time-bound – also spezifisch, mess- und erreichbar, realistisch und innerhalb des Zeitrahmens) formuliert sind, sondern auch stets mit Identifikation und Wertschätzung einhergehen.

Dein bestes Learning in der Führung lautet?

Hegybíró: Unsere Wahrnehmungsfilter sorgen dafür, dass nicht alle Beteiligten zum selben Verständnis gelangen – nicht in Eins-zu-eins- und erst recht nicht in Eins-zu-N-Situationen. Führen und Kommunizieren kann man auf verschiedene Arten, die alle situativ richtig und zugleich falsch sein können. Und beinahe ein Naturgesetz: Der Konjunktiv hat in der Kommunikation von Führungskräften noch nie wirklich weitergeholfen.

Welches war dein größter Misserfolg?

Hegybíró: Ich bin dafür, mutiges, eigenverantwortliches Handeln zu fördern. Gleichzeitig will ich Fehlerkultur nicht mit Fehlerglorifizierung gleichsetzen. Daher: Keine Ahnung, was mein „biggest Failure“ war. Aber die schlimmsten sind sicherlich die wiederholten Fehler, obwohl man vermeintlich aus ihnen gelernt hat.

Wie zahlt Fehlerkultur auf die IKOR-Arbeitskultur ein?

Hegybíró: Wenn wir weiterhin ein Umfeld bereitstellen, in dem Menschen gern Eigenverantwortung übernehmen, mit ihren Aufgaben wachsen und ihr persönliches Warum mit den Unternehmenswerten verknüpfen, bleiben wir erfolgreich. Ob wir das „New Work“, „postmodern“ oder „Avantgarde“ nennen, ist für mich sekundär.

 

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