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Zahlungsmoral im Mahnverfahren macht einen Riesenunterschied: Hier greift die Collection-Strategie von Versicherern direkt an

Warum die Collection-Strategie innovative Mahnverfahren kreiert

Wie die Collection-Strategie nicht nur in Versicherungen zu einem modernen Kundenbindungs-Verständnis beiträgt

– Abstract

Von der Pflicht zur Kür in der Bestandserhaltung

Einen Mahnprozess aktiv zu gestalten, hat Autor Sascha Koch bereits in seinem Artikel „Zahlungsmoral macht im Mahnverfahren einen Unterschied“ erläutert. Im Interview legt er nach: Der IKOR-Experte erklärt die Kür, wie Versicherer die Alternative zum Mahnen nach Mahnverfahren mit Hilfe von Mahnen nach Collection-Strategie mit Leben füllen.

In den USA ist die „Collection-Strategie“ bevorzugtes Mahnverfahren, das sich nach individuellen Indikatoren richtet. Deutschland bevorzugt indes das enge Mahnen nach Mahnverfahren. Woran liegt das?

Sascha Koch: Das liegt an den Regularien des deutschen Versicherungsmarkts. Dieser ist im Versicherungsvertragsgesetz, VVG, geregelt. Das Gesetz steckt den rechtlichen Rahmen ab. Eine Rückstandsbearbeitung beschreibt genau, was in welcher Reihenfolge passieren muss, bevor eine Versicherung bei Nichtzahlung von Beiträgen eine Kündigung tatsächlich aussprechen muss. Genau das bildet der SAP-Standard von Haus aus ab: Das Mahnen nach Mahnverfahren wird bei geringem Aufwand gesetzeskonform im entsprechenden Zeitrahmen durchgeführt.

Können wir im Versicherungswesen dennoch von einem Mahnsystem sprechen, das eher starr denn individuell ausgerichtet ist?

Koch: Nicht ganz. Wer programmieren kann, kann auch den mächtigen SAP-Standard an individuelle Besonderheiten anpassen. Die Mahnlogik wird allerdings bei steigender Komplexität immer undurchsichtiger. Für den technikaffinen Fachbereich kann die Collection-Strategie dennoch eine spannende Alternative sein. Sie lässt mehr individuelle Prüfungen zu, ist aber nicht von Haus aus VVG-konform. Das zu ändern, um die Collection-Strategie rechtssicher zu gestalten, würde zusätzlichen Aufwand bedeuten.

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Sascha Koch ist Crew Lead Subledger Accounting und hat die fachliche Leitung im Bereich der Nebenbuchhaltung – insbesondere im Versicherungsumfeld mit SAP FS-CD.

„Die Collection-Strategie erfordert ein neues Mindset, wenn es darum geht bei der Rückstandsbearbeitung mit Kundinnen und Kunden in Kontakt zu treten“

Wie funktioniert die Collection-Strategie?

Koch: Die Collection-Strategie durchläuft ein spezielles Regelwerk. Dieses wird mit der SAP-Komponente BRF+ umgesetzt. Um komplexe Prüfungen in einer Wenn-Dann-Logik zusammenzuführen, lassen sich per Drag and Drop kleine Prüfprogramme zusammenstellen. Die Prüfungen werden von Entwicklern einmalig in Funktionsbausteine implementiert. Dann kann der Fachbereich diese Bausteine nach Belieben verwenden und – je nach Regel – mit neuen Parametern versehen.

Alle Regeln lassen sich im Customizing nachvollziehen und nachverfolgen (tracen).

Welchen Mehrwert birgt die Collection-Strategie? Lohnt sich der Aufwand?

Koch: Für diejenigen, die methodisch und erfindungsreich vorgehen wollen, lohnt sich das allemal! Nicht umsonst steckt der Begriff Strategie im Mahnen nach Collection-Strategie. Diese rückt die individuelle Kundensicht in den Fokus. So erhalten Versicherungen ein passgenaues, individuelles und skalierbares Regelwerk. Das verbessert die Rückstandseinholung. Auch Experimentierfelder werden geebnet: Versicherungen können jetzt Strategien entwickeln, diese gegeneinander testen und die Erfolge der jeweiligen Strategien untereinander vergleichen.

Wie ist das zu verstehen?

Koch: Die enorme Individualität der Kund:innen bringt vollkommen neue Kundenbedürfnisse mit sich: Dazu gehört, wie und mit welchen Botschaften die Menschen angesprochen werden wollen. Was diese von ihrer Versicherung und deren Produkten erwarten – und vieles mehr. Mit Hilfe der Collection-Strategie und mit überschaubaren Programmierkenntnissen bildet der Versicherungsfachbereich ein hochindividuelles Regelwerk ab. Kommt es etwa zu einem Zahlungsstörfall, kann der Fachbereich auf Basis seiner Kundenkenntnisse individuell auf diesen Störfall eingehen und folgende Fragen beantworten:

  • Ist der Kunde erstmalig im Rückstand?
  • Wenn ja, seit wann?
  • Wie lange ist der Kunde bereits versichert?
  • Wie viele Policen besitzt die Kundin?
  • Mit welchen Volumen pro Police?
  • Wie alt ist der Kunde?
  • Wo wohnt die Kundin?

 

Je mehr Fragen sich beantworten lassen, desto individueller kann ein Versicherungsunternehmen auf seine Versicherten reagieren. Der reine SAP-Standard – ohne Konfiguration – stößt hier allerdings irgendwann an seine Grenzen.

Ist das der Grund, warum viele Versicherungsunternehmen ihre Kundinnen und Kunden eher starr behandeln?

Koch: Genau. Es wird beispielsweise zu wenig Rücksicht auf das Alter genommen – oder auf die Vertragsstruktur. Die Möglichkeit, unterschiedliche Kommunikationsformen anzubieten, findet ebenfalls kaum Berücksichtigung. Das Gleiche gilt für alternative Zahlmethoden.

Können Sie uns Beispiele nennen?

Koch: Einem Kunden, der mehr als 70 Jahre alt ist, in einem ländlichen, eher strukturschwachen Gebiet lebt und im Zahlungsrückstand ist, lässt sich mit einem passgenauen Angebot besser begegnen. Kann der Kunde seine Verbindlichkeiten über einen alternativen Bezahldienst wie Barzahlen.de/viacash – etwa bei Penny an der Kasse – begleichen, passt das Angebot besser zu dessen Bedürfnissen. Es wird Kunden in diesem Segment eher ansprechen als Mobile Payment.

Ein 19-Jähriger, der sein Moped versichert hat, seine Police aber wegen eines überzogenen Kontos nicht zahlen kann, muss unterdessen anders angesprochen werden – vermutlich landen wir hier bei Mobile Payment?

Koch: Haargenau. Vielleicht hat er ein Guthaben auf PayPal oder bei dem Online-Payment-Anbieter Wise. Vielleicht gibt es Freunde oder eine fitte Oma, die ihm via PayPal oder einem anderen mobilen Anbieter Geld schicken wollen, damit der Junge seinen Versicherungsbeitrag begleichen kann.

Welche Herausforderungen stellen solche Zielgruppen-Unterschiede an den Zahlungsverkehr von Versicherungsunternehmen?

Koch: Mit dem 70-Jährigen halten Versicherer möglicherweise einen treuen Kunden, der bereits seit Jahrzehnten mehrere Versicherungspolicen hält und ausnahmsweise in Zahlungsschwierigkeiten steckt. Der 19-Jährige steht im Kundenlebenszyklus jedoch noch am Anfang. Beide Personengruppen müssen unterschiedlich angesprochen werden. Für beide sollte jedoch das gleiche Interesse gelten, die Kunden als Bestandskunden zu halten. Auch alternative Zahlmethoden – und mit Ihnen die dazugehörigen FinTechs – bringen frischen Wind in die Finanz- und Versicherungsbranche.

Vor dem Hintergrund von VVG und Datenschutzgrundverordnung (DSGVO): Wird sich das Konzept Collection-Strategie hier zu Lande zu einem Trend entwickeln?

Koch: Versicherungen sollten sich nicht davon abhalten lassen, genau diese strategische Möglichkeit in ihr Portfolio aufzunehmen. Wir alle wissen, wie schwierig es heute ist, wertvolle Kunden zu halten. Je mehr Versicherer sich mit Bestandskundinnen und -kunden beschäftigen, desto mehr Chancen haben sie, eine vertrauensvolle Kundenbeziehung zu pflegen. Dazu gehört auch der persönliche Kontakt. Dessen ungeachtet wird die SAP-Standardfunktion „Telefonliste“ noch kaum genutzt. Hier können Aufträge zum Kundenkontakt verwaltet, dokumentiert oder an ein CRM-System weitergeleitet werden. In Verbindung mit der Collection-Strategie lassen sich diejenigen säumige Kunden ermitteln, bei denen ein persönlicher Kontakt am zielführendsten ist. Ziel ist es, dass diese ihre Police bezahlen und dem Versicherungsunternehmen als Bestandskunden gewogen bleiben. Vielleicht ergibt sich sogar eine Upselling-Möglichkeit.

Zu guter Letzt: Immer mehr FinTech-Start-ups treten in Konkurrenz zu klassischen Versicherungen. Wie gelingt es Versicherern, sich moderner zu positionieren?

Koch: Die Zahl der Möglichkeiten ist riesig. Hinsichtlich der Inkassoprozesse und insbesondere der Rückstandsbearbeitung sehe ich den größten Handlungsbedarf in der Kommunikation. Die Rückstandsbearbeitung, egal ob Collection-Strategie oder klassisches Mahnverfahren, kann beispielsweise über eine Kunden-App Push-Nachrichten versenden: Die App warnt einen Kunden dann, dass sein Versicherungsschutz gefährdet ist oder eine Kfz-Stilllegung droht. Reagiert der Kunde, kann er per Chat-Funktion direkt eine neue Bankverbindung hinterlegen, über PayPal zahlen oder eine Ratenplanvereinbarung abschließen.

Und wenn der Kunde oder die Kundin diese unkomplizierte Möglichkeit nicht hat? Was wäre die Alternative?

Koch: Hängt er oder sie nach 15 Minuten immer noch in der Warteschleife des Kunden-Call-Centers oder landet sein Fall früher oder später bei einem Inkassounternehmen, treibt das Kunden schnell und direkt in die Arme von Insurance FinTechs. Spätestens dort sind alle genannten Optionen bereits heute möglich. Weil diese Start-ups ein entsprechendes Mindset haben, genau wissen, was ihre Kundinnen und Kunden wollen, und diese Bedürfnisse passgenau bedienen.

Ansprechpartner

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Sascha Koch

Crew Lead Subledger Accounting
Dock Assurance
assurance@ikor.one
+49 40 8199442-0

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Sandra Goetz

Freie Journalistin
communications@ikor.one
+49 40 8199442-0

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